Mit den neuen präzisierten Beurteilungsmaßstäben des sozialversicherungsrechtlichen Status von freien Dozent*innen ergeben sich für Weiterbildungseinrichtungen wichtige Änderungen. Diese Änderungen betreffen die Art und Weise, wie freie Dozent*innen in Bezug auf ihre sozialversicherungsrechtliche Einstufung behandelt werden. Zuvor gab es möglicherweise Spielräume bei der Klassifizierung von Honorartätigen, ob sie als selbstständig oder abhängig beschäftigt gelten. Die neuen Maßstäbe sind darauf ausgerichtet, diese Unklarheiten zu beseitigen und klarere Kriterien festzulegen, um den Status der Dozent*innen zu bestimmen. Kurz um: Nach einem Gespräch mit der Deutschen Rentenversicherung Bund hat sich ergeben, dass u.a. Bildungsträger mindestens seit 01.01.2024 keine freien Dozent*innen im Rahmen der bisherigen jahrzehntelangen Praxis mehr beschäftigten können. Das betrifft nicht nur private Bildungseinrichtungen, sondern auch Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen und sonstige Bildungseinrichtungen.
Laut der Deutschen Rentenversicherung Bund liegt ein beschäftigungstypisches Unternehmerrisiko einer Honorarkraft nicht vor wenn:
- Die gesamte Organisation des Lehrbetriebs in den Händen der Ausbildungsstätte/ der Bildungseinrichtung liegt
- Räume und Unterrichtsmaterialien von der Bildungseinrichtung kostenfrei zur Verfügung gestellt werden
- Nur die Ausbildungsstätte/ der Bildungsanbieter nach außen hin auftritt (z.B. Vertragsgestaltung, Abrechnung)
- Die Ausbildungsstätte/ die Bildungseinrichtung die Zuteilung der Schüler auf die Lehrkräfte übernimmt[1]
Diese neuen Maßstäbe haben das Potenzial, weitreichende Konsequenzen für Weiterbildungsträger und freie Dozent*innen zu haben: fehlende Fachkräfte, starke Verkleinerung der Kurspalette, drohende Nachzahlungen, Insolvenzen. Ohne freie Honorarkräfte sind vor allem Kurse mit speziellen oder sporadisch angebotenen Inhalten nicht mehr umsetzbar (Beschäftigtenqualifizierung, Jobturbo, Integrationskurse etc.). Um es einmal klar zu formulieren: Keine Möglichkeit einer Honorartätigkeit ist ein K.O.-Kriterium für die Branche.
Die Beurteilungsmaßstäbe der Sozialversicherungsträger sprengen das bisherige System in einem, augenscheinlich, nicht bedachtem Umfang. Die Regelungen laufen bspw. den Vorgaben des BAMF für Integrationskurse vollkommen entgegen. Welche Rolle spielt die Künstlersozialkasse? Wie sollen Projekte wie Beschäftigtenqualifizierung und Jobturbo umgesetzt werden?
Weiterbildung Hamburg e. V. aktiviert derzeit seine Hamburger Partner (Behörden, Kostenträgern, Kammern etc.) und ist schon in Gesprächen mit bundesweiten Akteuren, um auf die politischen Ebene einzuwirken.
[1] Auszug aus der Präsentation „Abgrenzung Selbstständigkeit – Scheinselbstständigkeit“ der Deutschen Rentenversicherung Bund, Webinar bei WEITERBILDUNG Hessen e. V., 26.03.2024